Rachel van Kooij, Niederländerin von Geburt, in Österreich lebend und schreibend, erzählt in ihren Kinder- und Jugendbüchern meist Geschichten von besonderen Menschen. In „Herr Krähe muss zu seiner Frau“ zeichnet sie die Protagonisten so, dass sich eine besondere Geschichte ergeben muss. Sie ist nicht Abenteuerroman, nicht Roadnovel, nicht Familiengeschichte und nicht Liebesgeschichte – hat aber von allem Anteile. Und vor allem ist sie eine liebevolle, realistisch gezeichnete und auch rasante Brüdergeschichte.
Leo ist der „große Bruder“, Max „der kleine“. Die Geschichte wird durch Max in der Ich-Perspektive erzählt. „Leo ist riesengroß, auf die zwei Meter fehlen ihm nur drei Zentimeter, und er ist siebzehn dreiviertel Jahre alt. Leider ist sein Innenleben von Anfang an nicht im selben Tempo mitgewachsen und gealtert. Das habe ich schon früh verstanden.“ Max‘ Gehirn ist erst elf Jahre alt, aber „überdurchschnittlich leistungsfähig“. Er ist sehr intelligent, interessiert, vorausplanend und auch empathiefähig, liebevoll und verantwortungsbewusst. Von Max wird oft Rücksichtnahme im Verhältnis zum großen Bruder mit dem Gehirn eines Fünfjährigen verlangt, was er glaubwürdig reflektiert.
So weiß Max, dass das Unterfangen, einen verletzten Kolkraben in die Rabenforschungsstation zu bringen, mit dem lauffaulen und sehr beharrlichen bis sturen Leo fast unmöglich ist. Aber genau dieser Leo, der auch mal einfach auf der Straße sitzen bleibt, wenn er nicht weiterlaufen möchte, besteht darauf, dass der Kolkrabe „zu seiner Frau“ gebracht werden muss. Sie muss sich um ihn kümmern, denn der Vogel hat einen Ring am Fuß, also ist er „Ehemann“!
Wie die beiden Brüder mit einigen Aufregungen, aber auch interessanten Begegnungen zur 30 Kilometer entfernten Rabenforschungsstation gelangen, schildert Rachel van Kooij urkomisch und gleichzeitig mit hoher Empathie. Beide Brüder tragen zum Gelingen der Aktion bei, was aber durch den Erzähler Max nie pädagogisch wird, sondern sehr realistisch. Dabei spielt ein Rasenmähertraktor eine wichtige Rolle und auch die Begegnungen mit einem britischen Ehepaar sowie mit Hägar und Halvar und ihrer Kuh Dorcas samt Milchwagen. Die „Wanderung“ zur Rabenforschungsstation gelingt so am Ende tatsächlich – man hätte es fast schon nicht mehr geglaubt. Und Herr Krähe findet „seine“ Frau.
Eine besondere Geschichte mit besonderen Figuren für lesefreudige Kinder ab 10 Jahren.
Buchtipp: Ulrike Erb-May, Literaturpädagogin (BVL)
Verlag: Jungbrunnen Verlag 2019
Foto: © Jungbrunnen Verlag