Die 1950er Jahre, der Krieg ist vorbei, das Leben in einem Dorf in der Steiermark hart und seinen eigenen Regeln folgend. In diese unwirtliche Welt wird Sepp hineingeboren, ein blasses und kränkliches Baby, um das sich die bei einem Bauern in Lohn und Brot stehende Mutter nicht kümmern kann. Sepp wächst bei seiner Tante auf, in klaustrophobischer Enge, unter ihrer anhänglich-liebevollen wie strengen Hand. Die Jahre vergehen und Sepp wächst seiner Tante über den Kopf, gerät an den von den Dörflern gefürchteten Wirt, der immer wieder Anfälle von Raserei hat. Sepp wird schließlich vom Außenseiter zum Ausgestoßenen und als Erwachsener für psychiatrisch-medizinsche Zwecke missbraucht.
Duda schildert in einfacher Sprache und knappen Sätzen eindringlich das Leben in diesem engen, von Neid und Missgunst bestimmten Dorfgefüge. Man begleitet Sepp auf seinem schweren Lebensweg. Immer wieder prügelt das Schicksal gnadenlos auf ihn ein, aber der einst so zarte Sepp scheint abgehärtet durch die Zeit, macht einfach immer weiter, ist hartnäckiger als das zäheste Leder.
Duda nimmt den Leser und die Leserin mit in eine fremde und archaische Welt. Mit seiner Sprache spinnt er eine dichte Atmosphäre, der man sich beim Lesen kaum entziehen kann. Zu keiner Zeit ist einem Sepp sympathisch, aber doch leidet man die ganze Zeit mit ihm. Zum Teil sind die brutalen Szenen schwer zu ertragen und gelegentlich braucht man ein wenig Abstand zum Text. Aber trotz all der rohen Gewalt, der Bigotterie, der Stimmung von Unterdrückung und Ausgrenzung, gelingt es Duda immer auch den zutiefst menschlichen Kern seiner Protagonisten zu zeigen.
Christian Duda hat einen Roman geschrieben, der zu den Chroniken unseres menschlichen Miteinanders und Daseins gehört und einen festen Platz im deutschsprachigen Literaturkanon verdient. Es empfiehlt sich als Lektüre ganz besonders für erfahrene Leser:innen.
Buchtipp: Karen Rohen-Parduhn, Kunsthistorikerin, Germanistin, Lese-und Literaturpädagogin (BVL)
Verlag: Beltz & Gelberg 2020
Foto: © Beltz & Geldberg