Achtung: Dieses Buch ist nicht einfach! Das soll keine Triggerwarnung sein – die gibt es aber im Buch. Und man weiß schon auf der ersten Seite, dass es um Selbstverletzung und auch um einen Menschen geht, der sich das Leben nimmt. Ich habe dennoch weitergelesen, trotz Spoiler. Denn das Buch fordert geradezu das Weiterlesen!
Martin Schäuble erzählt in zwanzig Kapiteln und aus unterschiedlichen Perspektiven das Leben von Paul, Alina, Noah und Lien, die mit ihrer Umwelt auf unterschiedliche Art und Weise nicht „zurecht“ kommen. Die unterschiedlichen Perspektiven zeichnen sich durch unterschiedliche Sprache, verschiedene Handlungsorte und auch durch Zeitsprünge aus. Handlungsorte sind vor allem eine psychiatrische Klinik, ein japanisches Internat und Pauls Zuhause. Er lebt in einer „normalen“ Familie mit liebevollen Schwestern und Eltern, ist intelligent und dennoch: Am liebsten ist er nur mit einem Menschen zusammen oder schläft im Kleiderschrank.
Die Handlung ist aufgrund von Gesprächen mit betroffenen Familien entstanden und Schäuble hat sein Gefühl bei der Recherche, „als würde mir bei jeder Begegnung jemand ein Puzzleteil in die Hand drücken“ (S.266), durch die Konstruktion des Romans umgesetzt: Lesende können in jedem Kapitel ihr Bild vom Geschehen erweitern. Deswegen ist der Roman spannend: Ein schwieriges Thema wird durch eine anspruchsvolle sprachliche und dramaturgische Konstruktion zum literarischen Erlebnis!
Buchtipp: Ulrike Erb-May, Lese- und Literaturpädagogin (BVL)
Verlag: Fischer Kinder- und Jugendbuchverlag 2023
Foto: © Tobias Elsäßer