Diesem Buch ist zu wünschen, dass es nicht nur alle zehn Jahre erscheint: Der Kinderroman von Hanna Schott mit den ausdrucksstarken Bildern von Gerda Raidt erzählt eine Familiengeschichte aus der Zeit der Wende in Deutschland, ist also historisch angelegt. Er erschien zuerst 2009, 2019 kam der Film dazu in die Kinos und „Fritzi war dabei“ wurde wieder aktuell.
Die Autorin erzählt konsequent aus kindlicher Perspektive und in einer passenden, naiven Sprache über die entscheidenden Tage im Oktober 1989, als die Mauer zwischen den zwei Deutschlands fiel. Die Viertklässlerin Fritzi erzählt in kurzen Sätzen und mit Leerstellen, die Erwachsene eventuell füllen können: von der Mutter, die Sympathien für die Montagsdemonstranten hat; vom Vater, der „Westsender“ guckt, obwohl man das „nicht darf“; vom kleinen Bruder Hanno, der mit Fritzi und der Mutter montags zur Demonstration an der Nikolaikirche geht; von der Schule, in der Sophies Platz neben Fritzis eines Tages leer bleibt und in der Frau Leisegang mit den Worten „Seid bereit!“ die Klasse begrüßt. Und von der Oma im Westen, von der Fritzi sich eine Barbie wünscht, denn: „Hier kann man ja keine kaufen.“
Gute Leser*innen in der Grundschule werden das illustrierte Taschenbuch gerne selbst lesen, obwohl sie manche Gegebenheiten oder Worte nicht direkt verstehen. Aber auch zum gemeinsamen Lesen oder Vorlesen bietet es sich geradezu an.
Die sorgfältig ausgesuchte Schrift, eine Fibelschrift, erleichtert das Selbstlesen, dazu ist der Text wie in Erstlesebüchern im Flattersatz und mit genügend Zwischenraum zwischen den Zeilen gesetzt. Die Bilder von Gerda Raidt beeindrucken vor allem durch die genaue Zeichnung der unterschiedlichen Menschen, auch in Gruppen oder sogar Massendemonstrationen. Was die Autorin durch Fritzis Sprache schafft, leistet die Illustratorin vor allem durch die Darstellung der Körperhaltung der Beteiligten: Ihre Gefühle lassen sich daran gut ablesen, Empathie entsteht. Ihre Entwicklung wird alleine dadurch zum Beispiel deutlich, wie die Mutter bei einer Auseinandersetzung in der Tür steht oder die ganze Familie gespannt vornübergebeugt der Berichterstattung im Fernsehen folgt. Bilder, die man gerne ansieht, aus denen man viel herauslesen kann.
In einem Nachwort „Ist das wirklich alles wahr?“, in dem nicht nur ein paar Erklärungen zur Geschichte 1989 gegeben werden, wird auch das literarische Lernen gefördert, wenn die Konstruktion der Ich-Erzählerin kindgerecht erklärt wird. Für den Unterricht ist pädagogisches Begleitmaterial zum Download bereitgestellt.
Buchtipp: Ulrike Erb-May, Lese- und Literaturpädagogin (BVL)
Verlag: Klett Kinderbuch 2019
Foto: © Klett Kinderbuch