Das Salzwasserjahr – Nora Hoch

Nora Hochs Debütroman, nominiert für den Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis, kommt ganz leicht daher: Der Ich-Erzähler Jannik berichtet über seine Ankunft in Australien und sein Auslandsjahr dort. Wenn man jedoch genau hinguckt, ist er viel mehr als ein Roman mit den typischen Jugendbuchthemen wie Freundschaft, Verliebtsein, Schule….

Jannik beschreibt, kommentiert und reflektiert sein Verhalten und seine Gefühle im Rückblick. Dabei wird er aber nicht zu einem quasi allwissenden Erzähler, sondern er erzählt die wichtigsten Erlebnisse während seines Auslandsjahres fern von der Heimat, beschreibt genau, was er wahrnimmt, aber eben nicht mehr. Leerstellen entstehen dadurch bei den Lesenden, die man füllen möchte – Spannung bleibt. Wieso zum Beispiel ist der Gastvater immer so müde und still? Und was hat es mit der Geschichte zwischen seinem Gastbruder Neil und dessen Ex-Freundin Sienna auf sich? Und wohin verschwindet eigentlich „Beautiful“, der Obdachlose?

Die meisten Fragen werden im Laufe der Erzählung beantwortet, verpackt in Szenen, in denen die Protagonist*innen sich näher kommen und bereit zum Erzählen sind. So verläuft die Entwicklung Janniks hin zu Freundschaft, Nähe und Erkenntnisgewinnung synchron mit der zunehmenden Vertrautheit der Lesenden mit der Geschichte der Gastfamilie Maden.

Manches erfährt Jannik, er erlangt das Vertrauen von Neil, die Zuneigung seiner Gastfamilie und die Nähe zu Sienna und fühlt sich letztlich wohl auf dem fremden Kontinent. Und dann muss er aber auch wieder zurück nach Hause und auch da gibt es noch eine Geschichte, die der 17-jährige Ich-Erzähler mit seinen neu gewonnenen Erfahrungen nun auflösen können wird. Über das „Wie“ der Auflösung erfahren die Leserinnen und Leser nichts Genaues.

Es ist ein Roman über Nähe und Entfernung. Der Blick darauf, was einem wichtig ist, wird geschärft, wenn man diese Geschichte liest. Denn der Protagonist nimmt einen mit in seine Gefühlswelten und Erlebnisse. Dabei unterstützt einerseits die bilderreiche Sprache, die die Autorin ihrem Erzähler verleiht, und die einen Satz wie „Für diesen Tag gab es keinen Ort.“ ermöglicht. Diese Poesie wird wenigen jugendlichen Ich-Erzählern gegeben.

Annika Heines Zeichnungen in Schwarz-Weiß, die im Skizzenhaften bleiben und dadurch die Vorstellungskraft zusätzlich anregen, sind meines Erachtens sehr passend und gelungen und heben es aus der Masse heraus. Dass das Cover dann doch sehr beliebig bleibt, ist schade, aber womöglich dem Marketing geschuldet.

 

Buchtipp: Ulrike Erb-May, Lese- und Literaturpädagogin (BVL)

 

Verlag: dtv Verlag 2020
Foto: © dtv Verlag